Verehrt, verklärt und doch – vollkommen unglücklich
Regina Schauder entführt bei Kinderuni-Veranstaltung der Bürgerstiftung in die Gedanken- und Gefühlswelt der oft märchenhaft verklärten Kaiserin Sisi und eröffnet damit eine neue Perspektive auf ihr prunkvoll erscheinendes Leben.
Unter dem Motto – „Sisi – märchenhafte Kaiserin von Österreich?“ – begann das zweite Halbjahr der Kinderuniveranstaltungen mit einer Premiere im Hinblick auf die vorgestellten Inhalte: Zum ersten Mal wurden die kleinen Zuschauerinnen und Zuschauer in ein kulturell-historisches Thema eingeführt – und das besonders anschaulich und informativ durch Regina Schauder, die aufgrund ihrer Tätigkeit als Museumsführerin im „Kaiserin Elisabeth Museum“ in Possenhofen bei Pöcking eine Expertin auf diesem Gebiet ist und eindrucksvoll die Unterschiede zwischen Darstellung und Wirklichkeit von Sisis Leben als Kaiserin von Österreich herausarbeitete.
Auch diesen Monat fand in den Räumlichkeiten der Kulturwerkstatt im Gablonzer Haus wieder eine interessante und informative Kinderuni-Veranstaltung der Bürgerstiftung statt – nach einer Vielzahl von technischen und naturwissenschaftlichen Themen war nun zum ersten Mal auch etwas für historisch Interessierte dabei. Nach einleitenden Worten von Susanne Jehl, tauchte das Publikum in das Leben von „einer der schönsten Frauen Europas“ – Kaiserin Sisi – ein. Mit wunderbar veranschaulichenden Bildern und interessanten Anekdoten, ergreifenden Tagebucheinträgen der Kaiserin sowie informativem Faktenwissen, führte Regina Schauder das Publikum in die Thematik ein. Geboren am 24. Dezember 1837 mit schon einem Zahn im Mund, wurde bereits der Lebensbeginn der Tochter von Herzog Max und seiner Frau Ludovika zu einem verklärten Ereignis. Der ungeheure Reichtum des Herzogs manifestierte sich eindrucksvoll in seinem Palast in München, der Geburtsstätte der zukünftigen Kaiserin von Österreich.
Schauder illustriert diesen mit interessanten Bildern und Fakten, die den Zuschauerinnen und Zuschauern das Leben im Palast näherbrachten: Ein Theatersaal, eine Bibliothek und sogar eine eigene Zirkusmanege – von den besten Künstlern ausgeschmückt – verdeutlichen das beeindruckende Umfeld, in dem Sisi mit ihren Geschwistern aufwuchs. Geprägt von den Idealen und Interessen des Vaters Herzog Max, verbrachte Sisi vor allem in den Sommermonaten eine schöne Kindheit im Schloss Possenhofen am Starnberger See: Dichten, Wandern, Schwimmen und Musizieren – diese Aktivitäten prägten Sisi nachhaltig, wobei vor allem die Dichtkunst in ihrem späteren Leben eine bedeutsame Rolle spielen wird. Wie „Schmetterlinge“ sollten sich die Kinder nach der Vorstellung des Vaters fortbewegen, „schweben“ und sogar den Hausunterricht für das Wandern unterbrechen. Diese idyllisch und wunderschön wirkende Zeit wird jedoch jäh durch die Hochzeit Sisis mit Kaiser Franz Joseph unterbrochen und ein Leben voll fremder Eindrücke gepaart mit Einsamkeit, das letztendlich in tiefer Traurigkeit mündet, ereilt das junge Mädchen.
Schauder transportierte auf ergreifende Weise die Gefühle des erst 15-jährigen Mädchens auf ihrer dreitägigen Reise nach Wien in einer Kutsche, wo ihr 23-jähriger Verlobter, Kaiser Franz Joseph, auf sie wartet. Regina Schauder betonte zudem den menschenscheuen Charakter der jungen Sisi, der sie auch auf ihrer riesigen, prunkvollen Hochzeit, die zwei Tage nach ihrer Ankunft ihn Wien stattfand, zutiefst unwohl fühlen lässt. Mit interessanten Fakten über Sisis Leben am Hofe, unterfütterte Schauder ihren Vortrag anschaulich und greifbar: So wurde sie von den Hofdamen jeden Tag zu höfischem Verhalten erzogen, musste jeden Tag neue Schuhe anziehen, durfte als Kaiserin ihre Cousinen nicht umarmen und war gezwungen, wie der gesamte Hof, ihren Tagesablauf nach dem Kaiser auszurichten – was auch Braten bereits zum Frühstück miteinschließen konnte. Die Hofburg mit ihren 2500 Zimmern lag wie ein Labyrinth im Nebel vor ihr und Sisis Leben wurde zunehmend von tiefer Traurigkeit und Einsamkeit bestimmt.
Regina Schauder ließ das Publikum durch Gedichte aus Sisis Tagebuch tief in die Gedanken- und Gefühlswelt der Kaiserin eintauchen, die ihre Heimatlosigkeit, aber auch ihre Reiselust widerspiegeln. Sisi verbrachte den Großteil ihrer Zeit nicht in Wien, sondern beispielsweise auf Madeira oder auf den griechischen Inseln. In ihrem Vortrag thematisierte Schauder nicht nur die heimatlose und scheue Art der Kaiserin, sondern auch die überwältigende Schönheit der Kaiserin: Bei einer Körpergröße von 172 cm wog sie nur 50 kg – ihre Taille maß mithilfe eines Korsetts 50 cm. Regina Schauder beschrieb zudem die dreistündige Prozedur des Frisierens oder auch die interessanten Mittel, die zum Waschen ihrer knöchellangen Haare verwendet wurden – 100 Eigelbe und zwei Flaschen Cognac waren Bestandteil ihres Haarwaschmittels.
Diese anschaulichen Fakten über Sisis Leben, untermalte Schauder immer wieder mit ergreifenden Gedichten und Tagebucheinträgen – so auch zum Ende ihres Lebens: „Ich wollte meine Seele entflöge durch eine ganz kleine Öffnung des Herzens“, reflektiert die tieftraurige, depressive und zum Sterben bereite Haltung der Kaiserin, hervorgerufen durch ihre Einsamkeit und Heimatlosigkeit, besitzt aber auch beinahe vorhersagenden Charakter, wie Schauder betonte. So starb die verehrte, verklärte und doch vollkommen unglückliche Kaiserin durch das Attentat eines Anarchisten, der ihr Herz mit einem spitzen Gegenstand durchbohrte. Regina Schauder eröffnete bei dieser kulturell-historischen Kinderuni-Veranstaltung intensive Einblicke in Sisis Gedankenwelt und beleuchtete ihr Leben aus vielen interessanten Perspektiven, was mit einem großen Applaus am Ende des Vortrags gewürdigt wurde.